Schwule

Als im Bundestag die Mehrheit der Parlamentarier für die Homoehe stimmte, kam damit ein schier ewiger Prozess gesellschaftlicher Entwicklung zu einem Ende: Vom schnurgeraden Familienbegriff christlich geprägter Konservativer hin zur gesetzlichen Gleichstellung von Lebensentwürfen jenseits der heteronormativen Norm. Die Politiker vollzogen damit nur das nach, was in weiten Teilen der Gesellschaft längst common sense ist. Dass nämlich die sexuelle Orientierung eines Menschen kein Grund für eine Ungleichbehandlung sein kann. Und dennoch gibt es auch in Deutschland noch zu viele Orte, an denen Schwule diskriminiert werden. In einer sich weltoffenen wähnenden Stadt wie Berlin ist die Zahl der Übergriffe zuletzt angestiegen, die Fußballbundesliga ist natürlich weiterhin ein Hort heterosexueller Monokultur, und in den Flüchtlingsheimen müssen sich schwule Männer vor Mitbewohnern in Acht nehmen, die in ihrer Religion lediglich eine Legitimation für Übergriffe auf andere sehen. In einer Welt, in der in demokratischen Ländern Grundrechte erodieren, gilt es viele Errungenschaften wachsam zu verteidigen. Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Antisemitismus, Fremdenhass sind schwer auszurotten, und manchmal kommt es einem vor, als ob die glückseligen Inseln der Akzeptanz langsam wieder kleiner würden.

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Inhalt

Hui, die Prostata

Hui, die Prostata

Immer dieser Tanz um den goldenen Schwanz. Eine Lesbe beschwert sich

Coming in

Coming In

Auf Gran Canaria gibt es Schwule wie Sand am Meer. Eine Reise

Was für eine Befreiung / Perfume Genius wurde als Teenager verprügelt, nun schlägt er mit genialer Musik zurück

Wir sind Helden / Wer sich in Uganda outet muss sehr mutig sein. Eine fotografische Hommage

Made in Gaymany / Deutschland war mal ein sehr liberales Pflaster, dann wurde es düster

Zeig mal / Der Fotograf Bob Mizer hat viele Pimmel fotografiert, natürlich mit Männern dran

Zusammen allein / Warum sich Schwule öfter umbringen als Heteros

Vergesst die Roten / Die Schwulen waren die Juden der Antifaschisten

Du sollst mich töten / Warum zwei erschossene Priester auf dem Feldweg lagen

Shirt Story / Wie ich mal mit dem falschen Kleidungsstück auf der Pride war und danach um mein Leben fürchten musste

Born to be mild / Rocker sind irgendwie cooler, wenn sie schwul sind. Der Fotobeweis

Die Scharfdichter / Heinrich Heine und August von Platon haben sich nichts geschenkt

  • DUMMY Schwule
  • DUMMY Schwule
  • DUMMY Schwule
  • DUMMY Schwule
  • DUMMY Schwule
  • DUMMY Schwule
  • DUMMY Schwule

Mitarbeiter dieses Hefts

Pascal Kress

Pascal Kress

Artdirektor

Klar kann man so denken: Ein Magazin über Schwule muss natürlich von einem schwulen Art-Direktor gestaltet werden, was sonst. Aber als Skeptiker gegenüber zu großer politischer Korrektheit wollten wir es genau andersrum machen. Und so fragte Herausgeber Oliver Gehrs per Mail bei Pascal Kress (37) an, dessen Bücher über Grafik und Kunst ihn schon lange beeindruckt hatten – darunter das charmante „The Book of ABCs“ aus dem Kerber Verlag – und der ihn wenige Wochen zuvor in der Redaktion besucht hatte. Pascals lakonische Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Gern. Für mich als schwuler Mann eine Ehre.“ Und so geschah es, dass Pascal die DUMMY-Texte mit seinem sensiblen und gleichzeitig wunderbar klar strukturierten Layout nicht nur in die richtige Form goss, sondern dass er sich immer wieder in die Themenauswahl einmischte. Trotz seiner angenehm zurückhaltenden Art gelang es ihm, der Redaktion mit dezenter Vehemenz den Blick eines schwulen Mannes nahezubringen, der die Absicht hatte, als Grafiker selbstverständlich auch hinter den Inhalten des Heftes stehen zu wollen.

Charlotte Schmitz & Johanna-Maria Fritz

Aktivistinnen

Manchmal können selbst Vernissagen etwas Schicksalhaftes haben: Als sich Charlotte (29) und Johanna (24) Anfang des Jahres bei einer Berliner Ausstellung kennenlernten – die eine war gerade nach zweieinhalb Jahren aus Istanbul zurückgekehrt, die andere beruflich viel in Afghanistan und im Iran unterwegs –, hatten beide dieselbe Idee im Kopf: Unweit der Politik, ganz zentral im Tiergarten gelegen, waren die Fotografinnen auf den Schwulenstrich aufmerksam geworden, auf dem sich junge geflüchtete Männer prostituieren. Ohne Berührungsängste näherten sie sich den Strichern: „Wir hatten von Anfang an ein ganz anderes Verhältnis zu ihnen, weil wir ja nicht im Verdacht fanden, ihre Dienste kaufen zu wollen“, erklärt Charlotte. Die leisen, eindringlichen Porträts – aufgenommen mit einer Polaroid-Kamera – sind auch ein Spiegelbild der besonderen Beziehung, die über Monate der gemeinsamen Arbeit zwischen den Fotografierten und den Fotografinnen entstand. Da war es nur allzu selbstverständlich, dass Charlotte und Johanna den Männern auch beim Arzt oder im Jobcenter zur Seite standen. Ihr Ziel ist es, Dinge anzustoßen und zu verändern. Denn auch darin sind sie sich einig: „Eigentlich verstehen wir uns in vielerlei Hinsicht als Aktivistinnen.“

Boris von Brauchitsch

Boris von Brauchitsch

Alleskönner

Hätte man dem Kunsthistoriker Boris von Brauchitsch (54) das Heft ganz überlassen, wäre dazu noch ein Bildband erschienen, ein Theaterstück und ein Roman über das Making-of. Neben dem schieren Output ist die kreative Bandbreite des gebürtigen Aacheners von Brauchitsch einfach nur eindrucksvoll: Er schreibt für Suhrkamp Monografien über Michelangelo oder Gabriele Münter, gibt Bildbände heraus wie zuletzt über den NS-Fotografen Walter Frentz, verfasst ein Theaterstück über die documenta („Im tiefen Tal der Todeskralle“) und macht Ausstellungen mit seinen eigenen Fotografien. Für DUMMY schrieb er bereits über Schwulsein im Islam („Allahs ist groß“) oder über seine Zeit als Museumsdirektor in Kaufbeuren. Ihn als eine Art Kurator für dieses Heft an unsere Seite zu holen war die halbe Miete. Selbst der sehr dummyeske Ausflug nach Gran Canaria geht letztlich auf ein Werk von Boris von Brauchitsch zurück, das in der Schwulenszene Kultstatus genießt. Unter dem Pseudonym Sebastian Castro sezierte er in „Unter Männern“ die Homo-Kultur der Insel. Sein fundiertes Wissen und seine entschiedenen Einschätzungen zum Thema haben diese Ausgabe intellektuell grundiert und uns zudem vor politischer Überkorrektheit bewahrt.