Schreibtischväter
Journalisten, die über Ihre Kinder schreiben müssen, sind im Eimer
Von Wiglaf Droste; Foto: Lisa Bogdanovic
Wenn mäßige Journalisten Kinder bekommen, geht es den Kindern an den Kragen. Endlich haben die Journalisten ein Thema, wie sie es lieben: selbstgemacht und gratis, man muss auch das Haus nicht verlassen oder recherchieren, nur ein bisschen zugucken und aushorchen, gegebenenfalls etwas nachhelfen und ermuntern, aber der Aufwand ist gering und man wird das Zeug los. „Kinder und Tiere gehen immer“ sagt der Chefredakteur und blecht, und fertig ist diese Spezies im Journalismus: Schreibtischväter.
Bereits im Kreißsaal geht das los; schon aus der Geburt lässt sich eine Kolumne herauspressen. An offenen Muttermündern hocken die Schreibtischväter und locken mit falscher Freundlichkeit wie fiese Schokoladenonkels: Los, komm raus, ich will über dich schreiben. Kein Wunder, dass es so viele Spätgeborene gibt.
Ist das Kind einmal da, wird es rigoros ausgequetscht. Schreibtischväter betrachten ihr Kind als ihr persönliches Kapital, und das beuten sie aus nach Gewohnheitsrecht. Vieles kann beschrieben werden, so banal es auch ist, denn das Kind wird schon für die rettende Pointe sorgen – und sei es nur mit der Bestätigung des Gemeinplatzes, dass Kindermund eben Wahrheit kundtut. Manchmal aber funktionieren sie nicht, die Blagen, dann werden die Schreibtischväter nervös und sauer, und kurz vor Redaktionsschluss brüllen sie ihre Botten an: Sag endlich etwas Originelles, das ich zitieren kann!
Schreibtischmütter gibt es weniger als Schreibtischväter; das liegt vor allem daran, dass schreibende Frauen als Autorinnen gesehen werden wollen, nicht als Mütter. Schreibtischväter dagegen werten sich mit ihrer Schreibtischväterei auf: Schaut her, wie ich als Mann so sensibel bin und mein Kind liebe! Was so demonstrativ ins Schaufenster gestellt wird, ist in der wirklichen Wirklichkeit aber höchst selten im Angebot.
Wenn einer sein Kind hernehmen muss, um sein Brot zu verdienen, ist er im Eimer, was ihn nicht hindert, immer so weiter zu machen, irgendwer wird den Schammes schon in Druck geben. Nur eins haben die Schreibtischväter nicht bedacht: die Rache ihrer Kinder, die ihnen gewiss ist. Irgendwann sind sie groß genug, die Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen: Wie unangenehm es ist, von einem einfallslosen Sack bedrückt zu werden, der sein Kind unablässig bespitzelt, damit es ihm sein verkorkstes Leben rettet.
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