Einmal Paranoia und zurück

Mit dem Taxi und seinen allwissenden Fahrern durch das Heft

Fahrgast: Oliver Geyer

Etappe 1: „Die Krise war doch auch geplant!“ 

Ramazan Comak 
Alter: etwa Ende 50 
Herkunft: Kurdistan 
Typ: „Straßenkämpfer“ – von kleiner Gestalt aber aufbrausend 
Themen: Finanzkrise, Medienkritik, Politikverdrossenheit, Nahost-Konflikt 
Einstieg: Er hat gerade geschlafen, als ich zum Taxistand komme und an die Scheibe klopfe.

Wenig zu tun? Merken Sie schon die Finanzkrise? 

Ja, spüre ich schon deutlich. Es fahren wirklich viel weniger Menschen Taxi. Erstaunlich.

Mal sehen, vielleicht bringt ja das Konjunkturpaket etwas. 

Ich glaube gar nicht, dass die da oben was ändern wollen. Ich sage, die haben diese Krise bewusst herbeigeführt. Die war geplant.

Wie bitte? Meinen Sie das ernst?

Ja klar, die Politiker wollen jetzt einen Systemwechsel. Die da oben haben gemerkt, dass der Kapitalismus sowieso vor die Wand fährt und haben die Krise provoziert, um die Banken schneller verstaatlichen zu können. Die haben das ja auch gesehen, was die Manager sich auszahlen lassen und so weiter. Sie müssen sich nur mal anschauen, wie im letzten Jahr die Benzinpreise gestiegen sind. Das muss doch kalkuliert gewesen sein. 

Sie meinen wirklich, das wurde gesteuert? So Krisen entwickeln doch Eigendynamik. 

Es gibt da einen sehr klugen Mann, der hat alles vorausgesagt. Ich sage jetzt lieber nicht, wer dieser Mann ist. (Pause). Ach, ich sage es doch. Es war der Führer der Kurden. Öcalan. Sehr kluger Mann. (Er holt einen Zeitungsausschnitt aus der Seitentasche der Tür und wedelt damit vor meinem Gesicht. Zu sehen ist ein Bild von Öcalan über einem Interview) Dieser Mann sieht Dinge voraus, die andere nicht sehen!

Der sitzt doch im Gefängnis. Hat der überhaupt Zugang zu Informationen?

Er darf alle zwei Wochen seine Anwälte treffen. Zeitung kriegt er aber verspätet und wichtige Artikel werden ausgeschnitten. 

Vielleicht hilft das, die Dinge besser zu verstehen.

(Lacht) Er hat es vorausgesagt zum Beispiel, dass USA 700 Milliarden in die Wirtschaft pumpen müssen. Öcalan hat es schon lange vorhergesagt. 

Hat er auch vorhergesagt, ob Obama die Krise meistern wird?

Ach nein. Ich bin da sehr skeptisch. Obama, überlegen Sie doch mal, der ist doch gar kein Schwarzer, das ist doch alles nur von den Medien hochgespielt worden! Eigentlich heißt er Hussein, ein muslimischer Name, Barack ist ein jüdischer Name und dann ist er Christ. 

Könnte doch der Verständigung dienen, wenn der US-Präsident drei Kulturkreise verkörpert.

Ach, das ist alles von den Medien hochgespielt. Sehen Sie, die sind alle sehr oberflächlich. Wenn ich hier RTL Radio höre und so! Die Leute haben keinen guten Zugang zu den Informationen. Ein russischer Millionär, er hat zwei große Zeitungen, eine TV-Station und eine Radio-Station, er hat in einem Interview zugegeben, er müsste nur 2 Monate richtig Propaganda machen, dann würde er auch einen Hund ins Präsidentenamt bringen. Ich spreche mit vielen Menschen, wie jetzt mit Ihnen, über Politik. Aber die meisten hier in Deutschland sind müde von Politik, das merke ich, wenn die neben mir sitzen, die wollen davon nichts hören. 

Woran liegt das wohl?

Lenin hat gesagt, bevor die Deutschen auf einen Bahnsteig gehen und Revolution machen, lösen sie einen Fahrschein. Oder so ähnlich hat er gesagt, ist 20 Jahre her dass ich gelesen habe.

Und die Kurden?

Sind sehr politisch. 

Sie werden ja auch sehr provoziert.

Ja, das ist es. 

Hat Öcalan eigentlich auch erklärt, warum die islamischen Staaten im Gaza-Krieg den Palästinensern nicht wirklich helfen?

Sehen Sie, Öcalan sagt, Mohammed hat ausgedient. Die so genannten islamischen Staaten benutzen den Islam nur noch, um ihre Regime zu stützen, Religion interessiert sie gar nicht. Und außerdem ist es für muslimische und arabische Staaten besser, ein Hündchen zu haben, das Israel ab und zu ins Bein beißen. Dann hat Israel immer schön alle Hände voll zu tun und kommt nicht auf dumme Gedanken. Ich meine, warum macht das arabische Land Ägypten während Gaza-Krieg die Grenze zu und lässt humanitäre Flüchtlinge nicht rein? Die wollen, dass die Palästinenser Israel immer ein bisschen sticheln, damit Israel nicht auf die größeren Staaten losgeht.


2. Etappe: „Es müsste mal wieder einen richtigen Knall geben!“

Name: Werner Makschin 
Alter: Ende 50 
Herkunft: Berlin 
Typ: „Schrebergärtner“ – Schnurrbart und Lederjacke 
Themen: Revolution, gesellschaftliche Gerechtigkeit , enttäuschte Ostdeutsche 
Einstieg: Ich frage Ihn, ob wir überhaupt durchs Regierungsviertel fahren können, wo doch der chinesische Staatschef im Kanzleramt zu Besuch ist und in solchen Fällen meist alles abgesperrt wird. 

Nee, da waren gestern auch schon große Demonstrationen. So ist das eben, Staatschefs müssen vor denen geschützt werden, von denen se gewählt worden sind. Auf Kosten des Volkes. Das sollte dem ein oder anderen denn vielleicht doch mal zu denken geben. Hier muss dringend wieder was passieren. Hier läuft doch was nicht richtig, oder? Ick sage, es müsste wieder einen richtigen Knall geben. 

Und dann?

Na, sonst bewegt sich doch nischt. Ick meine, gucken sie sich das doch mal an, die Leute kümmern sich um nischt, die gehen alle nur einkaufen. 

Aber damit helfen sie doch immerhin der Wirtschaft zu überleben.

Ach so weit denken die doch überhaupt nicht. Jetzt wieder mit dem Zumwinkel, kann mir das mal einer erklären? Warum sie den mit der S-Klasse abholen? Überhaupt, warum die Steuerfahndung S-Klasse fährt? Mich würden sie mit einem blauen Bulli abtransportieren. Warum ist der so wichtig? Warum wird der so schonend behandelt? Ich sag es Ihnen: Weil er einiges weiß über die anderen Wichtigen, die auch alle nicht wollen, das über sie wat rauskommt.

Und wann wird er kommen, der große Knall? 

Na vielleicht sind die Deutschen zu obrigkeitshörig. Das wird schon von den Eltern an die Kinder weitergegeben und immer so weiter. Irgendwo isset ja ooch richtich dass et son jeordnetet Zusammenleben geben muss. Sonst würde ja ooch nischt loofen. Aber die Leute wollen eben ooch keene richtige Freiheit. In der DDR war det ja ooch lange so. Die hatten ihren kleinen Garten, ihre Natur, ihren Kühlschrank und Fernseher und waren zufrieden. Und jetze hamse dieset Jefühl, det der böse Kapitalismus ihnen allet wegnimmt und versaut. 

War doch auch naiv zu glauben, dass sie im perfekten System landen.

Det uns da nich die jebratenen Tauben umme Ohren fliegen würden, war mir schon lange klar. Aber vielen andern nich. Ich bin ja selbst auße DDR jeflohen. Als ich wegen versuchter Republikflucht vor Gericht stand, waren da Mitangeklagte, die dachten det wirklich, im Westen wär allet golden. Die gaben denn zu Protokoll, detse nur einmal ne Honda fahren wollten in ihrem Leben usw.

Wann sind sie denn geflüchtet?

74. Erst habick et anna Ostsee versucht, dann anna tschechischen Grenze. Hat beidet nich jeklappt. Dann hammse mich in Berlin wegen Republikflucht-Planung ranjekricht. War jut so. Haft war sowieso der sicherste Weg innen Westen. Da mussteste den Tod nich inne Augen kucken. Man musste nur einen im Westen haben, der dann diesen Vogel informiert hat. Der und zwee andere Rechtsanwälte haben det ja alles unter sich ausjemacht damals. Denn konnteste First Class ausreisen. 

3. Etappe: „Wowereit? Det is der Allerschlimmste!“ 

Christian Grundmann 
Alter: etwa Anfang 60 
Herkunft: Berlin 
Typ: „Aggro-Weihnachtsmann“ – ergrauter Vollbart, dicker Wollpulli 
Thesen: Protestkultur, Wowereits Politik, die Zukunft von Barack Obama, Lügen in der Politik  
Einstieg: Im Radio wird durchgesagt, dass die Straße des 17. Juni gesperrt ist. 

Schon wieda Demo!

Wogegen diesmal?

Keene Ahnung. Wees ick watt dit immer soll? (Grummelt irgendwas in seinen Bart).

Aber demonstrieren muss man doch wohl noch dürfen in der Demokratie. 

Dat einzige, wat die tun, is mir die Arbeit versauen. Immer demonstriernse. Neulich ham sogar irgendwelche Kroaten demonstriert, weil da bei denen wieder irgendwatt nich in Ordnung war – aber denn sollnse doch in Kroatien demonstrieren! Wat ham wir denn damit zu tun? Oder Israel. Wenn da watt nich richtig läuft, sollnse sich doch alle innen Flieger setzen und in Israel uffn Putz haun, aber nich immer hier den janzen Verkehr aufhalten.

Is aber viel verlangt, dass die sich für jede Demo ein Flugticket kaufen sollen.

Is mir doch egal, watt die machen. Ick kann det nich mehr sehen. Einen Tach demonstrieren die Radfahrer, dann die Gewerkschaften, dann die Homos. 

Und bringt alles nichts?

Nee, watt soll det schon bringen? Überhaupt die Homos, dit is doch dit allaletzte. (Grummelt wieder was in seinen Bart. Ich verstehe nur „Wowereit“)

Was haben Sie gesagt? Wowereit?

Det is der Allaschlimmste. 

Wieso?

(Er antwortet nichts.)

Was hat der Wowereit denn falsch gemacht?

Na allet, von Anfang an. Mitte Linken koaliert, denn den DHL nich nach Berlin jekriegt, die hatta nach Leipzig abgewandern lassen, denn hatta Tempelhof zujemacht, denn hatta die zwee Hangars von Tempelhof an diese Modefirma vakloppt, weil er da wen kannte. Babelsberg hatte geboten, die Dinger fürs ganze Jahr zu mieten, aber er jubelt dit den Modeheinis unter, weiler se kennt. 

Aber ist es denn nicht sinnvoll, Tempelhof zu schließen, wenn es bald den neuen Flughafen in Schönefeld gibt?

Na watt meinense watt Tempelhof an Taxis gebunden hat, watt wir da zu tun hatten!

Aber dann müssen die Passagiere eben aus Schönefeld geholt werden. 

(Grummelt was in seinen Bart, dann ist erstmal Pause)

Da sitzta (er zeigt auf das Rote Rathaus, an dem wir vorbeifahren). Die da im Senat könnten diese janzen Demos ja ooch ma vabieten. 

Moment mal, die müssen die doch zulassen.

Ja, aber nich immer vorm Brandenburger Tor, wo der janze Verkehr zusammenbricht. Meinetwegen sollnse im Treptower Park demonstrieren. An den Obama seine Stelle würdick die hier alle sowieso nich mehr mit dem Arsch ankucken. Da lassense den nich vorm Brandenburger Tor auftreten, nur vor der Siegessäule!

Aber die Merkel konnte doch aus diplomatischen Gründen nicht einen Kandidaten so bevorzugen.

Ach die Merkel, die is doch sowieso dit Letzte. Oder finden Sie die etwa jut? Der Obama zeigtet denen jetz allen. Was der schon allet gemacht hat in der ersten Woche im Amt. Nur det der die erste Legislaturperiode nicht überstehen wird. 

Wieso?

Na watt der allet für Feinde hat! Der hat Guantanamo zugemacht, der legt sich mitte Abtreibungsgegner an, der will den Irakkrieg sofort beenden, und und und. Und den Bush, der kann jetzt gehen, der is der Idiot. 

Finden Sie nicht?

Da hammse nach dem 11. September alle jeschrien, jetz muss wat passieren, die Amerianer müssen watt machen! Und wenn die Amerikaner denn watt machen, meckernse alle und sagen, der Krieg war falsch.

Moment mal, ist er doch auch. Das gründete alles auf Lüge.

Ach, die lügen doch alle! Watt ick mir schon an Lügen angehört habe, Renten sind sicher, jau klar! (Pause) Die Politiker fahren ja alle keen Taxi, die haben Chauffeure. Aber auch wennse det allet nich hätten, würdense gloob ick kein Taxi fahren. Die haben Angst, watt se sich allet anhören müssten. Die haben Angst vor dem Volk, detse vertreten sollen. 

Heute morgen hatte ich einen Taxifahrer, der genau deshalb wollte, dass endlich mehr Leute auf die Straße gehen und demonstrieren. 

Na ist doch schön, det wa alle unterschiedliche Meinungen haben. Wär doch auch langweilig, wennet nich so wäre, oder?

4. Etappe: „Müssen Kindern helfen, Deutsch lernen“

Cem Yildirim 
Alter: etwa 40 Jahre 
Herkunft: Türkei 
Typ: Lonely Wolf – geduckte Haltung, kurze Haare, Lederjacke 
Themen: Wirtschaftskrise, Integration, Nahostkonflikt 
Einstieg: Er schweigt zuerst. Ich tu so, als hätte ich in meiner Zeitung gerade was über die Wirtschaftskrise gelesen.

Macht sich die Wirtschaftskrise eigentlich schon bemerkbar für Taxifahrer?

Ja, es ist unglaublich, so was wie im Dezember und Januar hab ich in 10 Jahren Taxifahren nicht erlebt. Viel weniger Kunden! Taxifahren ist Luxus, lassen die Leute als erstes sein. 

Ob das Konjunkturpaket der Regierung was bringt?

Da wird immer groß geredet und dann gibt es in Nachrichten einen, der mal ausrechnet. Und dann heißt es: Eine Familie hat dann 130 Euro mehr am Ende von Jahr. Was soll das? Das ist ein Witz! 

Wo kommen Sie her?

In der Nähe von Istanbul. 

Und seid wann sind Sie hier?

Ach, ich bin hier aufgewachsen. Schon ewig. 

Und wie nehmen Sie die Debatten über Integration hier so wahr? 

Ach, ich kucke mir ganz gelassen an. Die reden doch sowieso nur Mist. Ich kenne viele gut integrierte türkische Familien, die haben Haus und leben normal. Die fallen nicht auf. Es reden immer alle nur über schwierige Fälle. 

Warum sind die denn schwierig?

Keiner hilft ihnen! Die Deutschen nicht, die Türken auch nicht. Auch Türken, die es geschafft haben, müssen helfen. Müssen Kindern helfen, Deutsch lernen. Aber es passiert nicht. Wer es geschafft hat, interessiert sich nicht mehr. 

(Pause)

Haben Sie von dem Eklat zwischen dem türkischen und dem israelischen Präsidenten gehört? 

Unser Präsident hat sich beschwert, dass Hilfslieferungen für Palästinenser 14 Tage warten mussten an Grenze. Das muss man doch sagen dürfen. 

Wie wird es da unten weitergehen, was meinen Sie?

Ich sage Dir, was ist Problem von Israel: Israel fühlt sich zu klein, die haben Angst, weil sie so klein sind. Können sich nicht vorstellen, ganz auf Gebiete zu verzichten. Sie hätten ja schon paar mal Frieden haben können. Hatten viele Chancen, aber nicht genutzt. Anderes Problem ist, dass Muslime und Araber sind zerstritten. Wir mögen uns nicht. Syrier mögen Iraker nicht, Iraker Iraner nicht usw. Es hilft nichts, alle müssen an ein Tisch. Vielleicht schafft Obama das. 

5. Etappe: „Tofu jeht ja jarnich“

Mario Kanno 
Alter: etwa Ende 30 
Herkunft: Berlin 
Typ: „Animateur“ – Outdoor-Jacke und kahl geschorene Haare 
Themen: Globalisierungsgegner, Fleischkonsum, Globale Erwärmung, Erdgas-Versorgungssicherheit, Verbraucherschutz 
Einstieg: Er schmeißt seine BZ auf den Rücksitz, ich lese die vorbei fliegende Schlagzeile, dass in Kreuzberg letzte Nacht wieder ein Luxus-Auto gebrannt hat.

Wo war denn das mit dem abgebrannten Auto?

Weeß ick ooch nich. 

Und wer war das, Globalisierunggegner?

Ja wees ick, watt die sind. Auf jeden Fall sindse nich mehr ganz dicht. Ich meine, die fackeln ja immer nur diese Luxus-Karossen ab. Erstens haben die, dich sich sowatt leisten können, sowieso alle ne Vollkasko und det jeht denen am Arsch vorbei. Abgebrannt is hinterher dit Auto, nich der Typ. Und zweetens werden die Autos Drumherum immer mit beschädigt. Wat soll denn dit bringen? Globalisierung hältste damit nich auf. 

(Pause. Neben uns fährt ein LKW vorbei mit Werbung für Fleisch darauf)

Die Massentierhaltung soll ja auch ziemlich viel Klimagase produzieren.

Ja, habick auch gelesen, stand inne Zeitung. Was die rumfurzen, wa? (lacht)

Liegt das wohl nur daran?

Ja, ick meine ja. Vielleicht rülpsense ooch.

Eigentlich müsste man für jedes Steak auch an Atmosfair zahlen, was?

Am besten führen wa gleich ein, dette Strafe zahlen musst, wennde selber einen ablässt.

Ich finde, man kann sowieso etwas seltener Fleisch essen und dafür Hochwertigeres. Von Herstellern, wo die Tiere es besser haben.

Ja, könnte man. Mein Motto is immer noch: Billiget Fleisch und öfter. Ick kann uff Fleisch beim besten Willen nich vazichten. Geht nich. Ick hab mal Tofu probiert det jeht ja garnich. 

Und rüsten Sie Ihr Taxi bald auf Elektromotor um? 

Ick fahre ja schon mit Erdgas. Det hier is ein Hybrid. Abba dann war ja det Erdgas letztet Jahr plötzlich teurer wie Diesel. Also wenn die Politiker det ernst meinen würden mitte Umwelt, denn könnte det doch nich passieren. 

Aber die können doch die Preise auch nicht beliebig festlegen.

Na beeinflussen könnten se det schon. Die könnten doch sagen: Pass uff, Erdgas is jetzt billiger wie allet andere. Indem sie die janzen Steuern, die sonst noch so auf det Erdgas packen runternehmen. 

Machen wir uns mit Erdgas nicht abhängig von den Russen?

Et heißt ja immer nein, et wa genug Reserven haben, det nur 30 % vonne Russen kommt. Aber wer weiß dit schon genau. Nur oben in Tegel is sone Tankstelle, wo Russengas dransteht. Sone Billigtankstelle. Die Kollegen sagen, det man da besser nich tanken soll. Dass det Zeug da weniger qualitativ hochwertig is. Ick seh die Sache anders. Da tankste doch det selbe Zeuch wie sonst wo. 

Ist wahrscheinlich wie mit Aldi.

Ist wahrscheinlich wie mit allet. Mein Kumpel meinte, er müsste seine Auslegeware unbedingt bei Höffner koofen, weilet da qualitativ hochwertija is. Ick koofet bei Domäne, da gibtet det selbe Zeuch. Is immer det selbe. Aber manche glooben halt einfach dran. Sollnse. 

6. Etappe: „Jesus war doch Rabbiner.“

Henry Petersen 
Alter: etwa Mitte 40 
Herkunft: Norddeutschland 
Typ: Fishermans Friend – norddeutscher Akzent, Wollmütze, runde Brille 
Themen: Ratzinger-Konflikt, Christentum, Dialog der Religionen, Terrorismus 
Einstieg: Ich lege den Spiegeltitel mit dem Ratzinger-Motiv auf meinen Schoß, Headline: „Der Entrückte“. Er springt drauf an. 

Der Entrückte (lacht). Ich würde mal eher sagen der Verrückte. 

Wieso?

Ach, der Ratzinger. (er lacht) Was der mit diesen Pius-Brüdern gemacht hat, war doch das Beste, was man sich für die katholische Kirche wünschen konnte.

Warum?

Na, so graben sie sich nach und nach selbst das Wasser ab, meine ich. Das hat doch alles nichts mehr mit dem Kern zu tun, der eigentlichen Religiosität, Mystik, Jungfrauengeburt und so weiter und so fort. Die sind doch seit Hunderten Jahren immer nur mit Machterhalt beschäftigt. Im Hochmittelalter war die Kirche auf dem Höhepunkt ihrer Macht, dann kam die Reformation. Danach mussten sie sich immer mehr verteidigen. 

Deshalb verteufeln sie heute auch die „Privatreligionen“ oder?. 

Ja, die haben Angst, dass sie ihre Macht verlieren. (Pause) 
Man denkt ja heute immer an Rom und den ganzen Prunk, wenn es um Christen geht. Aber das kommt ja alles aus einer ganz anderen Ecke, wenn ich jetzt so die Bilder aus dem Gaza-Streifen im Fernsehen sehe, wie die Palästinenser sich über die israelische Besatzung ereifern, dann denke ich immer, das ist doch die Mentalität aus der sich das Christentum mal entwickelt hat. Die haben sich damals gegen die römischen Besatzer ereifert, und haben auf einen Messias gehofft, der sie von den Besatzern befreit. So wie die Palästinenser hoffen, dass sie von den Israelis befreit werden. 

(Pause)

Und dieses Zölibat. Was hamse sich dabei gedacht? Jesus war doch verheiratet. Der war Rabbiner. Steht so in der Bibel. Die Rabbiner haben Ehefrauen und dürfen Kinder kriegen. Alleine schon, weil die in ihren Gemeinden auch Eheberatung machen sollen. 

Offensichtlich glauben die katholischen Priester, dass sie das trotzdem können.

Ja, die denken ja auch, dass sie eine höhere Macht besitzen. Und dass sie sich nicht vom Sex ablenken lassen.

Und deshalb besser den Überblick bewahren?

Ja. Die sagen ja, dass sie die absoluten Wahrheiten haben. Das ist wahrscheinlich auch die einzige Möglichkeit, wie die Kirche überleben wird. 

Meinen Sie, die haben gegen dieses großstädtische Weltbild, diese Ironie und Relativität langfristig noch eine Chance?

Mmmh, eigentlich hatte die Kirche doch gerade ein Revival. Wenn man sieht, was auf den Kirchentagen los ist. Obwohl der Ratzinger es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, die absoluten Wahrheiten zu vertreten.

Eigentlich komisch, oder? Religiöse und mystische Erfahrungen soll doch eigentlich nur jeder in sich selbst machen können. Mehr so individuell.

(Er lacht). Ich finde überhaupt, man sollte wieder an die alten olympischen Religionen anknüpfen. Aus dem alten Griechenland und Rom. Die waren als Religionen friedlicher, wegen Religion gab es da keine Kriege.

Wie kam es?

Na, die hatten viele Götter. Einen für die Liebe, einen für den Krieg, usw. Und wenn die Griechen zu den Römern fuhren, dann hatten die auch einen Gott für die Liebe und einen für den Krieg usw. Nur dass die da einen anderen Namen hatten.

Wie eine Art konvertible Währung?

Exakt. Das ist friedlicher. Jeder Gott verkörpert einen Aspekt des Lebens, den die anderen auch kennen. So kommt man zusammen. Aber wenn man sagt, wir haben den einzigen richtigen Gott, will jeder missionieren, dann gibt es Krach. Ist auch ein Grund für den islamischen Terrorismus. 

7. Etappe: „Die Gauckbehörde ist die Nachfolgerin der Stasi.“

Martin Pickhardt 
Alter: etwa 60 
Herkunft: Ostdeutschland 
Typ: „vom Leben gezeichnet“ – faltiges Gesicht, schütteres Haar 
Themen: Problembezirke in Berlin, Erniedrigte und Beleidigte der Wiedervereinigung, Gauck-Behörde als Stasi-Nachfolge 
Einstieg: Er gibt sich zuerst wortkarg. Ich will die letzte Fahrt aber nicht ungenutzt lassen und frage, was ich Taxifahrer sowieso mal fragen wollte. 

Warum fahren eigentlich die meisten Taxifahrer ohne Gurt?

Aus Fluchtgründen. Wenn ich überfallen werde, muss ich schnell wegkommen. Ist schlecht, wenn man sich dann im Gurt verheddert.

Hat es in letzter Zeit solche Fälle gegeben? 

In Neukölln war mal was, da hamse einen überfallen. Es laufen eben überall Schlumis rum.

Neukölln ist ja aber auch ein problematischer Bezirk. 

Ja, manche Ecken schon, aber man soll einen Bezirk auch nicht schlechter machen als er ist. Die wahren Problembezirke sind woanders.

Wo denn?

Da, wo die Schreibtischtäter sitzen. 

Sie meinen im Regierungsviertel?

Da sowieso, aber vor allem da, wo die Berliner Verwaltung sitzt. Das sind erstmal Verbrecher!

Was haben die denn verbrochen?

Kann ich Ihnen erzählen. Ist meine eigene Geschichte: Was die gemacht haben, ist, die haben In Berlin alle Leute, aus Ost und West in einen Topf geworfen. 

Was heißt das genau?

Die haben alle Adressen genommen, von Menschen, die erst im Osten waren und dann im Westen, und haben dann so getan als ob es die zweimal geben würde. Da sind aus jedem einzelnen Menschen einfach zwei gemacht geworden. Und auf diese Weise haben sie Grundstücke verdoppelt. Dann haben sie den Karteileichen Grundstücke untergejubelt, die eigentlich schon jemand anders gehörten. Dann haben sie quasi einen doppelten Boden eingezogen und alles bei den Banken doppelt beliehen. Dann ist Person X verschwunden und die Banken sind auf den Schulden sitzen geblieben. Genau so haben sie es mit mir gemacht, ich habe ja mitgekriegt, wie die Richter das alles gefälscht haben. Jetzt habe ich zwei Grundstücke und alle Forderungen am Hals, die damit zusammenhängen, aber davon kriegen soll ich nichts. Jetzt hamse mich in der Mangel und ich weiß nicht, wie ich da wieder rauskommen soll. 
(Pause) 
Das gründet alles noch auf Daten, die die Stasi erhoben hat. Aber da kommste als Normalbürger auch nicht dran. Die sagen das zwar immer, aber in Wirklichkeit ist die Gauck-Behörde gar nicht dazu da, um Akten zugänglich zu machen, die sollen die verwahren. Damals ist ja beschlossen worden, dass es eine Nachfolgeorganisation der Stasi geben soll. Das ist die Gauck-Behörde.

Wollen Sie sagen, die Gauck-Behörde ist die Nachfolgerin der Stasi?

Ja im Beirat der Gauck-Behörde sitzen ja noch die ganzen alten DDR-Leute!

Und diese Grundstücke? Ich verstehe das jetzt nicht so ganz. Ich dachte, dass es nur ein Grundbuch gibt, in dem klipp und klar drinsteht, wem was gehört?

Nein, es gibt zwei Datenbanken. Das geht auch noch auf die DDR zurück, wo es das ‚Amt für Liegenschaften’ gab und das ‚Liegenschaftsamt’. Und der Westen hat das einfach so übernommen. Ich sage Ihnen, der Glauben an die Grundbücher in Deutschland! Das ist alles auf Sand gebaut, seitdem hier die Juden alle enteignet worden sind. Und Leute wie ick müssens jetzt ausbaden.

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