Die Kehrseite der Liebe

Von Natascha Roshani & Oliver Gehrs

Mit Mist kann man richtig viel anstellen: Man kann ihn bauen, man kann ihn erzählen, man kann Haufen daraus machen, oder man lässt etwas auf ihm wachsen. Und: Mist passiert jeder und jedem von uns. Auch dem US-amerikanischen Künstler Robert Indiana (1928–2018), der in den Sechzigern eine der Größen der Pop-Art war. Im Jahr 1964 beauftragte ihn das New Yorker Museum of Modern Art mit einer Weihnachtskarte. Es entstand LOVE, das emblematische Motiv in den Farben Rot, Blau und Grün, das weltweit bekannt werden sollte. Doch nicht Indiana, sondern das Museum wurde beim Copyright vermerkt. Und so hatte der Künstler aufgrund des

damaligen Urheberrechts in den USA keine kommerziellen Nutzungsrechte an seinem Bild. Bis heute kann und wird der ikonische Schriftzug auf Covern von Büchern und Platten, Plakaten oder Zeitschriften zitiert, kopiert und abgewandelt. Indiana trug dieses Malheur, das ihn lebenslang verfolgte, nicht wirklich mit Fassung. Alle Welt kenne sein LOVE, aber niemand seinen Namen – geschweige denn sein übriges Werk, beschwerte er sich. Und doch entschloss sich Robert Indiana Jahrzehnte später, noch einmal selbst sein Motiv zu zitieren. Für die Werbekampagne, die 2008 dem unbekannten Präsidentschaftskandidaten Barack Obama weltweit Berühmtheit verschaffen (und ihm ins Amt verhelfen) sollte, ersetzte er LOVE durch HOPE.

Und nun wagen auch noch wir es, auf dem DUMMY-Cover aus LOVE Mist zumachen. Denn nicht nur der Liebe wird sich leidenschaftlich hingegeben, oft auch dem, was nicht so gut läuft. Gemotzt wird über vieles: Das Wetter ist entweder zu heiß, zu kalt oder zu regnerisch, die Wokeness geht zu weit, die Medien lügen rum, die Politik kommt nicht aus dem Quark, die Nachbarn sind zu rücksichtslos – und die Stimmung in der Gesellschaft ist eh mies.

Aber nur rummotzen gilt nicht. Die Kunst muss darin bestehen, sich nicht von den Nickligkeiten des Lebens nerven zu lassen. Die Rückschläge zum Anlass zunehmen, Dinge besser zu machen – oder auch aktiv aufzubegehren, wenn die Kacke am Dampfen ist.

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