Der geschmolzene Penis

Jeder baut mal Mist. Wichtig ist, dass man drüber schreibt.

Teil 2

Von Rafael Schumann

Ich hätte definitiv nicht so viel trinken sollen. Aber der Kennenlernabend beim Nachbarpärchen einen Stock unter uns hatte sich als erstaunlich unterhaltsam entpuppt. Was vor allem an den Anekdoten des Mannes lag, der als Notfallarzt in Großhadern arbeitete und stundenlang von Verletzungen bei autoerotischen Versuchen mit Staubsaugern und Haarspraydosen erzählen konnte. 

Nun stand ich mitten in der Nacht ziemlich betrunken in unserer Küche und füllte kochend heißes Wasser in ein Babyfläschchen, in das ich zuvor Milchpulver geschüttet hatte. Eine Nachtmahlzeit für unsere kleine Tochter. Und dann geschah es: Durch eine ungeschickte Handbewegung kippte das Fläschchen um, und das brühend heiße Wasser ergoss sich auf meine luftigen Boxershorts. Ein fast schon surreal anmutender Schmerz durchzuckte meinen Körper. Ich rannte ins Bad, sprang unter die Dusche und hielt den kalten Wasserstrahl auf mein dampfendes Gemächt, von dem sich die Haut abschälte und ein schönes Rosarot freilegte. Glücklich, wer in solchen Fällen einen Unfallarzt zum Nachbarn hat, und schon wenige Minuten später schmierte mir der Fachmann eine Cortisonsalbe auf den Pimmel, umwickelte ihn dick mit Mull und verabreichte mir ein starkes Schmerzmittel, das mich schlafen ließ. 

Am nächsten Morgen tat es schon gar nicht mehr so weh, nur das Gehen fiel schwer. Breitbeinig wankte ich die Straße runter – zu einem Urologen um die Ecke. Der entfernte behutsam den Verband und legte – ja, was eigentlich? – frei. Mein Pimmel sah aus, als hätte man ihn fingerdick mit Waldbeermarmelade beschmiert, so dick war die Blutkruste, die sich gebildet hatte. Geschmackloserweise rief der schwer amüsierte Facharzt seine Assistentin, damit auch sie sich an dem Anblick ergötzen konnte. Mich ließ er zum Abschied mit einem Grinsen wissen, dass es mit Sex erst einmal vorbei sei. 

In den nächsten Wochen vermied ich eh jede Erektion, weil dadurch alles frisch Verheilte wieder aufreißen konnte. Im Büro saß ich mit Hemd und Sakko am Schreibtisch, aber untenrum nackt – natürlich bei abgeschlossener Bürotür. Nachts blieb öfter das Bettlaken an meinem nässenden Etwas hängen, es morgens wieder zu entfernen war eine Tortur. 

Heute ziert meinen Penis eine große Narbe. Manchmal werde ich gefragt, was denn bloß mit ihm geschehen sei. Die kindische Wahrheit habe ich noch nie erzählt. ¶

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