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N° 84, Nerven

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Stranger things

Unser Editorial zum neuen Heft

Von Natascha Roshani & Oliver Gehrs

In der Ferne ist das Fremde am schönsten, da kann man es besuchen, bestaunen und entdecken. Viele Menschen bekommen gar nicht genug davon und fliegen unentwegt um die Welt, um Neues zu entdecken – und treffen dann im mexikanischen Dschungel oder in der marokkanischen Wüste doch wieder nur auf deutsche Reisegruppen. 

Zum Problem aber wird das Fremde, wenn es einem zu nahekommt. Dann geht schnell die Angst um, dass das Wohlvertraute gefährdet ist, dass die Komfortzone oder die gemütliche Blase bedroht sind. Daher müssen die Fremden ferngehalten werden. Das ist nicht nur die Einstellung rechtsradikaler Parteien, Menschen aus anderen Ländern und deren Perspektiven werden oft auch von anderen Milieus negiert. Die deutsche Staatsräson und die deutsche Leitkultur sind hermetische Konzepte, die sich erstaunlich nahe sind – und die gern benutzt werden, um das Zerrbild nicht integrierbarer Migranten zu zeichnen. Natürlich ist es schrecklich, wenn Hamas-Sympathisanten nach dem Massaker vom 7. Oktober Süßigkeiten verteilen, aber es sind eben nur wenige und dennoch wird die vernünftige Mehrheit in Sippenhaft genommen. Nur zur Erinnerung: Im Jahr 2022 gab es laut dem Berliner Register im Stattteil Neukölln 20 antisemitische Vorfälle, im weit weniger migrantischen Bezirk Mitte, in dem sich besonders gern Touristen und Politiker tummeln, waren es über 100. 

Dass wir das Fremde und Andere nicht als Bereicherung ansehen, sondern ihm mit Ressentiments begegnen, zieht sich leider durch die Geschichte dieses Landes. Wir könnten das ändern, wenn man sich nicht die Narrative von der AfD vorgeben lassen würde. Wenn Politiker wie der Leitkultur-Beauftragte Friedrich Merz oder Markus Söder, für den Kreuzberg nicht zu Deutschland gehört, willfährig deren Geschäft besorgen würden. Oder die Regierung mal auf die Idee käme, das Geschwätz vom massenhaften Ausweisen anderen zu überlassen, und stattdessen stolz auf die Bereicherung unserer Gesellschaft durch Zuwanderer verwiese und daraus eine vernünftige Migrationspolitik ableitet. Dabei geht es weniger um Integration, bei der sich ja das Fremde am besten abschwächen soll, sondern eher um Inklusion – darum, dass das Fremde als Zugewinn erkannt wird. Als Erweiterung unseres Horizonts und der Vielfalt unserer Gesellschaft. Vielleicht sollte man weniger häufig in die Ferne fliegen, um dort nach dem Fremden zu suchen, sondern mal einen Ausflug in eine Shisha-Bar machen, um ihm näher zu kommen.

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