In leidender Position
Die Stellungen der uralten indischen Liebesfibel Kamasutra verlangen Paaren einiges ab. Aber sind diese erotischen Verrenkungen überhaupt gesund? Wir sind mal ein Sex-Pack von Positionen mit einem Orthopäden* durchgegangen

Zwei Körper, vier Beine, davon aber nur zwei auf dem Boden. In dieser Position das Gleichgewicht zu halten ist äußerst schwierig und eigentlich nur etwas für hochakrobatische Paare. Sein nach vorn gekipptes Becken ist anatomisch ziemlich problematisch und steigert das Sturzrisiko beim Akt. Auch das Eindringen gestaltet sich in dieser Stellung schwierig und ist, wenn überhaupt, nur kurzzeitig möglich.

Hier glänzt sie mit einer klassischen Brücke, während er sie mit beiden Armen und einem Bein umschlingt (und hält). Die Penetration funktioniert gut unter erhöhtem Reibungswiderstand, wenngleich der Akt für die Frau irre anstrengend ist. Ihre Schultern sind arg strapaziert, zudem muss sie sein Gewicht halten und ihren Rumpf stark überdehnen. Ihm dagegen wird nur abverlangt, auf einem Bein balancieren zu können.

Die Frau in der dominanten Position, auf dem Mann hockend. Er diesmal in der stressigen Lage mit einem überbogenen Becken und einem überbeanspruchten Meniskus. Auch wenn sein Genital schön exponiert und ihm eine leichte Beweglichkeit möglich ist, darf er keine Knievorerkrankung haben. Denn für Mitteleuropäer besteht bei dieser Stellung eine erhöhte Verletzungsgefahr des Meniskus; längere Zeit auf den Knien ist in unseren Breiten eher unüblich.

Klassisches Upside-Down, das bei leichtgewichtigen Frauen, die sich festklammern können, gut funktioniert. Allerdings besteht bei längerer Dauer für sie Kopfwehgefahr. Das Paar muss kräftig sein: er, weil er ihr Gewicht halten muss, sie, weil sie sich an seine Beine krallen muss. Muskelkater ist bei dieser Halte-athletik vorprogrammiert. Eine gewisse Gelenkigkeit in der Hüfte vorausgesetzt, gibt’s an dieser Position orthopädisch nichts zu bemängeln. Die einzige Heraus-forderung liegt in dem Eindringen ohne Einsatz der Hände (die sind ja von beiden dauerbeansprucht).

Die indische 69, die für ihn tiefengechillt ist, da er in keinster Weise belastet wird, während er auf dem Diwan liegt. Für sie dagegen ein unglaublicher Kraftakt. Ihr Rücken ist so stark gebeugt, dass sie entweder eine Leistungsturnerin oder eine bestens ausgebildete Yogini sein muss. Da die gesamte Wirbelsäule und der Kopf mit der Halswirbelsäule durch diese Hyperflexion übertrieben nach hinten gebeugt werden, ist die Position für sie ausgesprochen anstrengend.

Leichtes Liebesspiel für ihn: Die Kniebeugung findet nur unter geringer Last statt, weshalb seine Kniegelenke bei dieser Stellung nur mittelstark beansprucht werden. Sie ist im Gegensatz zu ihm in großer Bewegung. Da aber kein Gewicht auf ihr lastet, ist ihre Haltung orthopädisch völlig unbedenklich. Die Position kann sich sogar positiv auf ihre Schultern auswirken und eventuelle Verspannungen lösen.
*Der Orthopäde möchte anonym bleiben. Er hat jahrelang in Notaufnahmen gearbeitet und unter anderem im Klinikum Buch
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