Im Änderungsmodus

Die verfremdeten Bilder von Max Kersting machen einfach gute Laune. Aber wie fing das alles an?

Interview: Oliver Gehrs

Wie kamst du darauf, fremde Bilder zu bemalen?

Durch Zufall bin ich in Berlin über ein Antiquariat gestolpert, das viele alte Fotos im Schaufenster hatte. Ich habe dann zu stöbern begonnen und einige gekauft. Zu Hause hatte ich zu den Fotos sofort passende Sprüche im Kopf ­– so als hätten die Sprüche schon lange in mir gesteckt. Die ersten zehn Fotos waren innerhalb einer halben Stunde mit verschiedenen Sprüchen beschriftet.

Und damit bist du dann zu einer Galerie gegangen?

Nee, erst mal habe ich sie abfotografiert und eine Facebook-Seite angelegt. Das kam unheimlich gut an und hat mich auf die Idee gebracht, die Bilder in einer Galerie auszustellen. Allerdings hat sich keine dafür interessiert – wahrscheinlich war es nicht cool genug. Und mit Humor ist es ja in der Kunst auch so eine Sache. Schließlich hat das „Zeit-Magazin“ einige Fotos veröffentlicht. Und das war so eine Art Ritterschlag.

Du bemalst nun schon seit über zehn Jahren Fotos. Hast du nicht Angst davor, „der mit den alten Bildern“ zu werden?

Ja, das habe ich zwischendurch auch mal gedacht, aber andererseits ist es schön, bei einer Sache einen langen Atem zu haben. Die Arbeit verändert sich ja auch.

Bei deinen früheren Werken hatte man den Eindruck, es ginge vor allem um den Witz, heute hat sich das geändert.

Als im Internet die Memes aufkamen, habe ich natürlich überlegt, wo ich mit meinen Bildern stehe. Und da wurde mir klar, dass ich nicht immer nur Gags machen, sondern eher kleine Geschichten erzählen will. Etwas Hintergründiges, das den Bildern eine erzählerische Richtung gibt.

Kann ich eigentlich mit einem Familienalbum bei dir vorbeikommen, und du beschriftest dann die Fotos?

Ich muss die Fotos selber suchen und finden, das ist Teil der Arbeit. Außerdem engen mich Bilder, von denen ich weiß, wo sie herkommen, und möglicherweise auch, wer darauf zu sehen ist, eher ein. Deshalb kann ich auch keine aus meiner Familie nehmen.

Du arbeitest nicht nur mit Bildern aus Alben, du sammelst auch Bilder aus der Lokalzeitung, wo die Bildunterschriften schon so komisch sind, dass du gar nichts mehr verfremden musst.

Ich komme aus Lippstadt, und obwohl ich in München lebe, lese ich täglich auf meiner App den „Patrioten“, das ist die Lippstädter Tageszeitung. Da finden sich manchmal wunderbare Bilder von Schützenvereinen oder Kleintierzüchtern, die von der Redaktion betextet werden. Erst gestern habe ich eine sehr schöne Text-Bild-Schere gespeichert, die mich richtig glücklich macht.

Was sagst du eigentlich, wenn man dir vorwirft, dass du mit den Bildern fremder Menschen Geld verdienst? Man könnte dich glatt neudeutsch der cultural appropriation verdächtigen.

So viel verdiene ich damit nicht – und außerdem ziehe ich klare Grenzen und mache zum Beispiel kein Merchandising. Obwohl das bestimmt gut liefe. Keine Kaffeetassen, keine Mousepads, kein Webshop. Am wichtigsten ist mir, dass diese Bilder nicht weggeschmissen werden und ich ihnen neues Leben einhauche.

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