Die den Vogel abschießen
Manchen sind sie suspekt: zu deutschtümelnd, zu viele Uniformen und Gewehre. Aber wie sind sie wirklich, die Schützen? Der Fotograf Arne Piepke hat sich mit der Kamera auf so einigen Schützenfesten getummelt und viele Antworten gefunden
Bilder von Arne Piepke
Mehr Sauerland für Deutschland – mit diesem Spruch machte Friedrich Merz im Frühjahr Werbung für seine Bodenständigkeit. Wenn man ihn beim Wort nimmt, hieße das auch mehr Misthaufen, mehr Warsteiner Bier und vor allem: mehr Schützenfeste. Nirgends ist die Dichte an volkstümlichen Zusammenkünften höher als im Sauerland. Selbst 300-Seelen-Dörfer lassen es einmal im Jahr auf dem Schützenfest krachen.

Die Vorläufer der Schützenvereine sind Bürgerwehren, mit denen sich im Mittelalter schutzlose Orte gegen Plünderer verteidigten. Später, als es dafür Soldaten gab, verloren die Bürgerwehren ihre Funktion als Miliz, geblieben aber ist die Tradition aus Aufmärschen, Fahnenschwenken (bitte nach der „Bundesfahnenschwenkerordnung“) und Schießen. Für Menschen, die es nicht so mit Uniformen und Gewehren haben, wirkt das natürlich etwas befremdlich. Obwohl man sagen muss, dass die deutschen Schützen ziemlich harmlos ausschauen – in ihren steifen grünen und grauen Anzügen, mit ihren Eichenlaubverzierungen am Revers und ihren Mützchen. Selbst der Waffengang geht schwer als militaristische Übung durch: Geschossen wird auf einen Holzvogel, der einem preußischen Adler nachempfunden ist und – zur Sicherheit – in einem Kugelfang thront. Dennoch stehen die Vereine bei manchen im Verdacht, Deutschtümelei und Frauenfeindlichkeit Vorschub zu leisten. In der Tat klingt das Motto „Glaube – Sitte – Heimat“ der deutschen Schützenvereine ein wenig suspekt. Zudem wehren sich die meisten Vereine nach wie vor standhaft, Frauen als Mitglieder aufzunehmen. Es gibt aber immer häufiger Ausnahmen – sicher auch, weil den Schützenvereinen der Nachwuchs ausgeht.

Ein Leben ohne jährliches Schützenfest mag man sich vielerorts gar nicht ausmalen. Denn sie sind nicht nur für die Vereine der jährliche Höhepunkt. In Orten, in denen sonst wenig los ist, sind sie das gesellschaftliche Großereignis. Vielerorts gibt es noch eine Kirmes drumherum, an zahllosen Bierständen lernen schon Minderjährige das Bier- und Korntrinken.
Der Fotograf Arne Piepke kommt selbst aus dem Sauerland und weiß daher sehr gut um die Bedeutung der Schützenvereine in der Provinz. Für seine Arbeit hat er versucht, einen frischen Blick auf den alkoholseligen Ringelpiez zu wagen, und in der Tat sind seine Bilder weder despektierlich noch verherrlichend. Man kann auf ihnen eine gestrige, homogen Weiße Gesellschaft sehen oder auch feiernde Menschen, die eine uralte Tradition bewahren und sich um gesellschaftliche Moden nicht groß kümmern. Darf ja auch mal sein.

Nach dem Besuch etlicher Schützenfeste steht für Piepke fest, dass so gar nichts feststeht. Viel zu unterschiedlich seien die Schützenvereine, als dass man ein grundsätzliches (Vor-)Urteil fällen könnte. Natürlich, sagt Piepke, gäbe es die erzkatholischen und konservativen Vereine, die das Ganze mit heiligem Ernst betrieben, aber auch viele Menschen, die darin eher eine Art Theaterinszenierung sähen und das gesellschaftliche Miteinander schätzen würden – vor allem in strukturschwachen Regionen.
Die Lust aufs Schützenfest ist dem Fotografen auf jeden Fall nicht vergangen. Nachdem er seine Arbeit abgeschlossen hatte, hat er schon wieder einige besucht. „Irgendwie rufen die Schützenfeste in mir eine gewisse Sehnsucht hervor“, sagt Piepke. „Schwer zu beschreiben, aber oft fühle ich mich dort spontan wohl.“ Vielleicht liegt’s am Sauerland.
