Krach

Global betrachtet hat sich der Lärm in bestimmte Weltgegenden verzogen. In den Urwäldern röhren die Motorsägen, in den überfüllten Städten Afrikas schwillt das Gemurmel der Abgehängten an, und in den Kriegsgebieten des Nahen Ostens knattern die Maschinengewehre. Die sogenannte Erste Welt hingegen wird immer leiser – vielleicht nicht, wenn man das Pech hat, in der Einflugschneise eines Flughafens zu wohnen, an einer viel befahrenen Straße oder neben einem Nachbarn, der gern Techno hört, aber generell betrachtet auf jeden Fall. Der von Maschinen produzierte Lärm klingt unter dem Eindruck des Wandels zur Dienstleistungsgesellschaft immer mehr ab, die Elektromobilität wird den Verkehr mittelfristig akustisch beruhigen, die Partywütigen werden aus Rücksicht auf gestresste Besitzer von Eigentumswohnungen in Gettos verdrängt. Trotz der umfänglichen Beruhigung hat man den Eindruck, dass die Klagen über das laute Leben zunehmen, dass die Zahl der Empfindlichen steigt. Erklärbar ist dieser Widerspruch mit dem anschwellenden Grundrauschen, das sich aus Abstiegsängsten, Sozialneid und Egoismus speist und seinen Resonanzraum vor allem im Internet hat. In den Kommentarspalten wird Rabatz gemacht, wird gepöbelt, gehetzt und Streit gesucht. Dieses Heft geht ganz ambivalent mit dem Sujet um.

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Inhalt

Hang the DJ DUMMY

Hang the DJ

Jede Nacht macht mein Nachbar Disco und dreht Helene Fischer voll auf. Chronik eines Fast-Nervenzusammenbruchs

Hat man da noch Töne

Hat man da noch Töne

Eigentlich nicht. Unser Autor wäre im Raum der Stille am Hamburger Hauptbahnhof fast durchgedreht

Hang the DJ

Mein Nachbar ist ein ganz großer Musikliebhaber – und macht mich zu dem Spießer, der ich nie sein wollte

Zum Schreien / Ostkreuz-Fotograf Jörg Bürgern hat auf Demos draufgehalten

Auf nach Rabatzistan / Tränengas und Prügelei im Parlament: Auf dem Balkan wird es schon wieder brenzlig

Bomba / Männer, die mit Hämmern auf Dynamit hauen, sind ein gutes Fotomotiv

Das große Rumoren / Verbrennt alle Klaviere und vergesst Bach! Gar keine schlechte Idee, was die futuristischen Komponisten so von sich gaben

Ach, diese Fiepen, dieses entsetzliche Fiepen / Sich bei einem Konzert der Swans die Ohropax rauszuholen ist schön doof

Black Metal / Vergesst Wacken. In Botswana steigt die wahre Healy-Metal-Sause

Fight Club / In China liebt man es, wenn sich Grillen boxen. Und man setzt viel Geld auf die Heuschreckenkämpfe

Fast & Furious / Lasst alle Zivilisation fahren: Warum ein Taxifahrer mit einem Mann auf der Motorhaube und 125 km/h durch Zürich fuhr

Kraterstimmung / Eins muss man Bomben lassen. Sie machen schöne Löcher

  • DUMMY Krach
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Mitarbeiter dieses Hefts

Bernd Grether

Bernd Grether

Artdirektor

Als DUMMY-Herausgeber Oliver Gehrs an der Berliner Universität der Künste einen Lehrauftrag übernahm, stellte man ihm den künstlerischen Mitarbeiter Bernd Grether (37) zur Seite, der das Seminar auch allein hätte leiten können. Mit gutem Gespür für das Miteinander von juvenilem Modernisierungswahn und den unverhandelbaren Geboten des editorial design sorgte er für geglückte Semesterarbeiten und glückliche Studenten. Der Mann weiß die Regler zu bedienen, spürt, ja erschnuppert, wo es im Heft brenzlig werden darf und wo es Feuer zu löschen gilt. Ohne laut zu sein, eine Wirkung zu erzielen, das war genau das, was wir fürs „Krach“-Heft wollten

http://berndgrether.de
Annett Scheffel

Annett Scheffel

Autorin

Dass es keine einfache journalistische Aufgabe würde, war Annett Scheffel (30) schon klar, als wir mit der Idee einer Reportage über Frauenhäuser auf sie zukamen. Und tatsächlich gestaltete es sich zunächst schwierig, wollte doch keine der Frauen ihr Schicksal teilen, als sich Annett bei einer Hausversammlung eines Frauenhauses vorstellte. Schließlich meldete sich eine stille Frau – Alina heißt sie in der Reportage. „Es hat mich irre berührt, wie sich Alina geöffnet hat“, resümierte Annett später. Vor allem, weil es das erste Mal war, dass die junge Frau überhaupt jemandem ihre traurige Geschichte erzählte. Aber auch Alina war voller Empathie der Reporterin gegenüber, als diese wissen wollte, warum sie in das Gespräch eingewilligt habe: „Du hast mir ein bisschen leidgetan, weil du ja auch deinen Job machen musst.“

Jörg Brüggemann

Jörg Brüggemann

Fotograf

Einen Monat lang trieb sich Jörg Bürgern (37) für uns auf den unterschiedlichsten Protestmärschen herum und machte dort Bilder skandierender, schreiender und krakeelender Menschen. Am besten und lautesten, sagt Brüggemann, war die Demo für Behindertenrechte. „Die hatten eine große Soundanlage und haben dauernd Hits gespielt. Dschinghis Khan und solche Sachen. Es war eine Riesenparty.“ Finster wurde es erwartungsgemäß bei Pegida in Dresden, wo Brüggemanns deutsche Staatsangehörigkeit infrage gestellt wurde, weil er die Nationalhymne nicht mitsang. Die Porträts, die er von seiner Reise mitbrachte, entkräfteten am Ende jedoch so manches Vorurteil. Ohne Parolen und Plakate ist kaum zu erraten, wofür oder wogegen jemand Stimmung machen will.