Da hat Jesus mal wieder ganze Arbeit geleistet. Leicht erschöpft, aber nicht unzufrieden beschaut er sich auf dem Cover der Slayer-LP „Christ Illusion“ (2006) sein welthistorisches Werk: brennende Städte, verheerte Landschaften, grässlich zugerichtete Leichen allüberall. „Religion ist Hass / Religion ist Angst / Religion ist Krieg / Religion ist Vergewaltigung“, grunzt Slayer-Sänger Tom Arraya auf dem programmatischen Stück „Cult“, und in „Skeleton Christ“ präzisiert die Band ihr politisches Anliegen noch: „Ich weiß, was im Namen Gottes angerichtet wurde, / darum habe ich mich für Satan entschieden. / Hail Satan!“
Seit Beginn der Heavy-, Black-, Death- und Sonst-wie-Metal-Geschichte gilt das Genre als das böseste unter der Sonne. Was einerseits an dem meist muffigen Auftreten der dazugehörigen Musiker liegt sowie andererseits an ihrem Hang zu Okkultismus, Satanismus sowie Blut- und Gemetzeltexten und der Verherrlichung von Gewalt im Allgemeinen. Von Genre-Pionieren wie Black Sabbath, Deicide und den italienischen Death SS über die zweite Generation mit Venom und Slayer bis zur norwegischen Black-Metal-Szene der 90er-Jahre ist das Genre reich an unsympathischen Vollpfosten mit zweifelhaften Ansichten, die im besseren Fall aber zugleich sehr gut grunzen oder eine flotte Doppelbasstrommel bedienen können.
Dass sie den Weg des Teufels gewählt haben, weil sie dessen Bösartigkeit schätzen, würden die meisten Satans-Metaller aber keineswegs unterschreiben; wie Slayer, sehen sie die dunkle Seite der Macht eher im Christentum. Das gilt auch für die prägenden Charaktere der norwegischen Black-Metal-Szene, etwa die Gruppe Mayhem: Ihrem Bassisten Varg Vikernes wurden Anfang der 90er-Jahre einige der ersten örtlichen Kirchenbrandstiftungen zur Last gelegt. Weil er außerdem noch den Gitarristen seiner Gruppe, Øystein Aarseth alias Euronymous, mit einem Messerhieb in den Kopf massakrierte, verurteilte man ihn 1993 zu einer langjährigen Haftstrafe.

Deathmetal – Gangsta-Rap 1:0

Als sich um Mayhem herum die Kirchenanzünder-Metal-Szene formierte, begann freilich schon ein zweites Genre, dem Metal den Rang als global bösestes Genre abzulaufen: der gewaltverherrlichende Gangsta-Rap. Auch hier strotzten die Texte nur so vor Mord- und Totschlagfantasien. Und da Rapper schneller rappen, als Metaller grunzen, konnten sie in einem einzelnen Lied auch wesentlich mehr widerwärtige Details unterbekommen. Erheblich höher ist bis heute auch die Zahl der tatsächlich ermordeten Musiker. Am bekanntesten sind natürlich Tupac Shakur (1996 im Alter von 25 Jahren erschossen) und Biggie Smalls alias Notorious B.I.G. (1997 im Alter von 24 Jahren erschossen), doch ist das nur der Beginn einer nach Dutzenden zählenden Liste.

Deathmetal – Gangsta-Rap 1:1

Über den Tod durch Erschießen – und allenfalls noch Abstechen – geht die Fantasie der meisten Gangsta-Rapper indes kaum hinaus, und zwar weder im realen Leben noch in ihren Texten; in diesen kommt als weiteres zentrales Thema noch häusliche Gewalt gegen zu wenig fügsame Frauen hinzu. Auch hier bleibt es allerdings meist beim Verprügeln, Rippenbrechen und Kehle-Durchschneiden. Gegen den Einfallsreichtum, mit dem die Satans-Metaller ihre Opfer quälen und pfählen, zerstückeln, zerschreddern und von grausigen Geistern in die Unterwelt entführen lassen, wirken die meisten Gangsta-Rapper blass, mit Ausnahme eventuell der Geto Boys, die in ihrem „Horrorcore“ Anfang der 90er-Jahre Mord- und Vergewaltigungsfantasien beispielsweise mit Nekrophilie kombinierten, was sie wieder in die Nähe des Black Metal brachte (nicht zufällig hört der Bassist von Mayhem auf den Namen Necrobutcher).

Deathmetal – Gangsta-Rap 2:1

Während Metaller abwechslungsreicher metzeln und massakrieren, sind Gangsta-Rapper wiederum kurzweiliger und origineller beim Pöbeln und Schimpfen! Selbst in Deutschland: Erinnern wir uns an den im vergangenen Jahr gern gehörten Song „Leben und Tod des Kenneth Glöckler“, in dem der beliebteste deutsche Rap-Bösewicht Bushido einen ehemaligen musikalischen Mitstreiter ausgiebig erniedrigte. Dieser sei, wie wir von Bushido erfuhren, nicht nur „metrosexuell“ und „gay“ sowie zugleich einer, der Mädchen unter Drogeneinfluss „vergewaltigt“. Auch wurde er als „Mittelklasse-Schlagersänger“ und „Informant“ angesprochen sowie als „Nutte“ und als „Thai-Nutte“, die in „Homo-Ehe“ mit einem „Quoten-Neger“ lebt – allein der Versuch, diese einzelnen Attribute in den Zusammenhang einer einigermaßen konsistenten Charakterbeschreibung zu bringen, verlangte dem geneigten Betrachter einiges ab.
In dem dazugehörigen Videoclip wurde ein ahnungslos aussehender junger Mann von einem leicht bekleideten Mädchen in ein Bordellzimmer gelockt, was in ihm die Erwartung interessanten Geschlechtsverkehrs weckte; doch Pustekuchen: Stattdessen wurde er von einer Gruppe vermummter Gesellen entführt und schließlich auf einem weitgehend unbeleuchteten Parkplatz dazu gezwungen, sich mit einem Sack über dem Kopf und auf den Knien die endlosen Tiraden von Bushido anzuhören; abschließend wurde er von selbigem mit einem Kopfschuss getötet.

Deathmetal – Gangsta-Rap 2:2

So weit, so gut – beziehungsweise böse. Aber dann ließ Bushido mit seinen Gesellen die Leiche des Kontrahenten schnöd auf dem Parkplatz liegen, was man als verpasste Chance ansehen kann. Was hätte ein ordentlicher Black Metaller aus so einer Situation gemacht? Kommen wir noch einmal zu Mayhem zurück. Der von Varg Vikernes ermordete Euronymous war ja nicht der erste Todesfall in der Band. Zwei Jahre zuvor hatte sich schon der Sänger Per Ohlin alias Dead – der auch dafür zuständig war, die bei Konzerten am Bühnenrand prangenden Schweinsköpfe zu pfählen – mit einer Schrotflinte das Leben genommen. Was seine Mitmusiker, die ihn als Erste fanden, keineswegs traurig machte oder schockierte. Vielmehr fotografierten sie die Leiche sorgfältig von allen Seiten; dann sammelten sie die zerstreuten Schädelknochensplitter ein, um daraus kleine Halskettchen zu basteln, und kochten sich aus den herumliegenden Hirnstücken ein Gulasch. Erst nach dieser liebevollen Verwertung ihres verstorbenen Sängers riefen die restlichen Mitglieder von Mayhem die Polizei. Endstand:

Deathmetal – Gangsta-Rap 3:2