„Atomkraft ist auch ökonomisch Selbstmord“

Gespräch mit einem, der es wissen muss, nämlich mit Gerd Rosenkranz

Asmuth & Gehrs

Herr Rosenkranz, plötzlich sollen die Atomkraftwerke wieder länger laufen – als gäbe es keinen Beschluss zum Ausstieg. Woher kommt der Sinneswandel? 

Die Debatte um die Atomenergie hatte sich fast schon erledigt, und dann kündigt die Energiewirtschaft den Konsens einfach auf. In der Vereinbarung mit der Bundesregierung von 2000 steht folgender denkwürdiger Satz: „Beide Seiten werden ihren Teil dazu beitragen, dass der Inhalt dieser Vereinbarung dauerhaft umgesetzt wird.“ Dauerhaft! Das haben die Vorstände der vier großen Energiekonzerne EnBW, E.on, Vattenfall und RWE unterzeichnet. Bei ehrbaren Kaufleuten hätte früher ein Handschlag gereicht, heute ist selbst eine Unterschrift nichts mehr wert, wenn die Chance da ist, mit den alten Atomkraftwerken noch einmal richtig Geld zu verdienen.

Dabei ist doch Sinn und Zweck des Ausstiegs, gerade die gefährlichen Meiler wie Krümmel oder Brunsbüttel alsbald stillzulegen. 

Das sind aber auch die AKWs, mit denen die Konzerne rund eine Million Euro am Tag verdienen. Die Landesbank Baden-Württemberg, die die Atomindustrie unterstützt, hat gerade eine Empfehlung herausgegeben, die Aktien der großen Energiekonzerne zu kaufen, falls der Ausstieg kippt. Eine Laufzeitverlängerung könnte ihnen demnach bis zu 200 Milliarden Euro Zusatzgewinn bringen. Das Perfide ist, dass die Konzerne über alles reden – Klimaschutz, Energiepreise, Versorgungssicherheit –, aber nie über das wirkliche Motiv. Dass sie nämlich mit längeren Laufzeiten für alte Atomkraftwerke richtig Geld verdienen. Das sollten sie endlich einmal öffentlich zugeben.

E.on, Vattenfall, RWE, EnBW und die sprechen gern davon, dass in Deutschland die Lichter ausgehen, wenn wir die AKWs zu früh abschalten. Momentan stehen durch Störfälle und Wartungsarbeiten sieben Meiler von 16 still. Und dennoch ist genügend Strom da. Wie kommt das?

Es ist ja im Augenblick sogar so, dass uns die Hälfte des Atomstroms fehlt, und Deutschland dennoch Strom nach Frankreich exportiert, wo man jeden Sommer das Problem hat, dass die Reaktoren das knappe Flusswasser zu sehr erwärmen. Weder das Argument, dass hier die Lichter ausgehen, noch das von der Versorgungssicherheit ist also schlüssig. Als der neueste Störfall in Krümmel geschah, gingen im projektierten Endlager in Gorleben für Tage die Lichter aus. Da kann man nur froh sein, dass das noch kein richtiges Endlager ist. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat nun angekündigt, Gorleben in Zukunft nur noch mit Ökostrom versorgen zu lassen. Zu Ende gedacht bedeutet das, dass selbst die Behörde, die in Deutschland die meiste Ahnung von Atom hat, lieber auf regenerative Energien setzt, wo es wirklich auf Versorgungssicherheit ankommt. 

Die Energieversorgungsunternehmen sprechen gern davon, dass Deutschland das einzige Industrieland ist, dass aus der Atomenergie aussteigt, während in anderen Ländern eine wahre Kernkraft-Renaissance bevorsteht.

Es gibt eine Renaissance der Ankündigungen, aber keine der Atomenergie. Viele der AKW-Neubauten, auf die verwiesen wird, entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Langzeitprojekte. Darunter sind Kraftwerke, an denen seit über 20 oder sogar über 30 Jahren gebaut wird. Andere sind Vorhaben, die noch aus der Zeit vor dem Unfall in Tschernobyl stammen. In anderen Zusammenhängen würde man so etwas Bauruinen nennen. In Wirklichkeit nimmt die Zahl der in Betrieb befindlichen Reaktoren weltweit ab, in Europa sogar recht deutlich und schnell.

Wie viele Kernkraftwerke gibt es denn in Europa?

Im Augenblick gibt es 146. Die meisten Reaktoren gab es 1988, da waren es 177. 

Aber baut nicht die halbe Welt neue Meiler?

Ich habe als Journalist jahrelang die Jahrestagung Kerntechnik besucht – so etwas wie der Hauptgottesdienst der Branche, zu dem 2000 Leute pilgern. Da kamen auch immer die Russen und jonglierten nur so mit den Zahlen: 1990 wollten sie bis zum Jahr 2000 zehn neue Reaktoren bauen, 2000 hieß es dann, bis 2010 würden zwanzig neue Meiler gebaut, und jetzt sagen sie, bis 2030 werden es sogar fünfzig neue Atomkraftwerke. Tatsächlich haben sie seit 1990 genau zwei neue Reaktoren ans Netz gebracht. Und alle, die im Augenblick gebaut werden, sind vor Tschernobyl begonnen worden – in Kursk ist einer dabei, der auf der Tschernobyl-Technik basiert. Der wird hoffentlich nie fertig. In den USA wird derzeit ein neuer Reaktor gebaut, Baubeginn war 1972. Das ist Weltrekord. Der wurde damals angefangen und dann über Jahrzehnte eingemottet, um jetzt weitergebaut zu werden. An diesem Reaktorstandort wird außerdem Tritium hergestellt, das man für Atombomben braucht. Da Tritium mit einer Halbwertszeit von etwa zwölf Jahren zerfällt, muss man es bei den gelagerten Bomben von Zeit zu Zeit ersetzen. Es hat also nicht nur einen energiepolitischen, sondern vermutlich auch einen militärischen Grund, warum ausgerechnet dieser Reaktor weitergebaut wird. 

Aber was ist bei uns in Europa? In Frankreich und Finnland wird jeweils ein neuer Reaktor gebaut. Es heißt, im finnischen Olkiluoto entstehe ein Vorzeigeprojekt.

Ganze zwei Reaktoren in Westeuropa! Und Olkiluoto ist ein ganz besonderes Vorzeigeprojekt. Den sogenannten Europäischen Druckwasser-Reaktor, EPR, der jetzt in Finnland gebaut wird, haben Deutsche und Franzosen Ende der 80er Jahre zusammen entwickelt. Der Werbespruch lautete: für Deutschland, Europa und den Weltmarkt. Nur daraus wurde nichts, und so ist Finnland für diesen Reaktortyp schon fast die letzte Chance, bevor er veraltet ist. 

Warum ist er denn nicht früher gebaut worden?

Das Problem bei solchen Bauprojekten ist die Finanzierung, weil nämlich die Kapitalrücklaufzeiten so groß sind. Gaskraftwerke baut man in zwei Jahren und nach fünf Jahren haben die Investoren ihr Geld zurück. Der Bau von AKWs dauert nicht nur länger, richtig gutes Geld verdient man erst etwa ab dem zwanzigsten Jahr. So lange wollen viele Finanziers heute nicht mehr warten, auch die Stromversorger selbst nicht, die sie im Prinzip aus ihren enormen Profiten selbst finanzieren könnten.

Olkiluoto soll zum Fixpreis von 3,2 Milliarden Euro gebaut werden.

Die damalige Entscheidung, einen Fixpreis anzubieten, war eine industriepolitische Entscheidung und zeigt, wie verzweifelt Deutsche und Franzosen diesen Reaktor bauen wollten. Wirtschaftsminister Clement wollte damals sogar, dass der Staat mit Hermesbürgschaften das Projekt unterstützt. Normalerweise sind Hermesbürgschaften ärmeren Ländern vorbehalten, bei denen man sich nicht so sicher ist, ob sie die Kosten refinanzieren können. Für das EU-Land Finnland gilt das wohl eher nicht. Nachdem die Hermesbürgschaften abgelehnt wurden, ist die bayrische Landesbank mit einem Kredit über 1,9 Milliarden Euro eingesprungen mit einer Zinsrate von 2,6 Prozent – da träumen die bayrischen Handwerker oder mittelständischen Betriebe von. Aber im Fall von Olkiluoto hat selbst das billige Geld nichts gebracht. Eigentlich sollte der Reaktor im Mai dieses Jahres in Betrieb gehen, aber das wird er jetzt wohl erst in drei Jahren, wenn überhaupt. Kosten wird er dann voraussichtlich 4,5, eher 5 Milliarden oder mehr.

Und wer zahlt die Mehrkosten?

Die Finnen finden: Fixpreis ist Fixpreis. Siemens und der französische Partner Areva sagen, die finnischen Atombehörden hätten Schuld, weil sie so detaillierte Unterlagen haben wollten, womit nicht zu rechnen gewesen wäre. Also streitet man sich vor europäischen Gerichten. Olkiluoto ist also wirklich kein Vorzeigeprojekt, sondern eher eine Demonstrationsprojekt für die Unwägbarkeiten beim Bau eines Reaktors. Überall da wo neue AKWs im Gespräch sind, läuft das nach demselben Muster – die Politik sagt: Baut neue Reaktoren, und die Unternehmen, die sie bauen sollen, antworten: Give us money! Sobald die Politik Atomkraftwerke will, halten die Konzerne die Hand auf: Die Genehmigung soll der Staat zahlen, die Endlagerungskosten übernehmen, es soll staatliche Preisgarantien für den Strom geben und so weiter. Die Konzerne trauen es sich ohne staatliche Subventionen einfach nicht zu. Man kann sagen: Die Atomenergie ist auch dahingehend einmalig, dass sie über ein halbes Jahrhundert nach ihre Markteinführung immer noch Markteinführungshilfen beansprucht. 

Mit anderen Worten heißt das: Diejenigen Politiker, die Subventionen bei den regenerativen Energien ablehnen, weil das den Markt verfälsche, haben nichts gegen die Unterstützung der Atomenergie?

Genau. Das ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass diese gefühlten Wirtschaftsexperten Deutschlands Zukunft verspielen, indem sie auf eine Uralttechnologie setzen statt auf Investitionen in regenerative Energiequellen. Die Rating-Agentur Moody’s hat gerade allen amerikanischen Energiekonzernen prophezeit, dass sie in ihrem Wert zurückgestuft werden, wenn sie einen Reaktor bauen sollten. Die Wall Street rechnet mit Baukosten von bis zu zwölf Milliarden Dollar für einen AKW-Neubau. Das wäre vollkommen unwirtschaftlich. 

Die BILD-Zeitung befürchtet dagegen, dass Deutschland durch den Atomausstieg von der technologischen Entwicklung abgehängt werde.

Da fehlt mir langsam jedes Verständnis. Es ist genau umgekehrt. Die Atomenergie ist eine veraltete Technik des 20. Jahrhunderts. Das spüre ich zum Beispiel auch, wenn ich die Veranstaltungen des Deutschen Atomforums besuche. Da sind die Leute sehr viel älter als ich. Wenn ich aber auf Kongresse über die erneuerbaren Energien gehe, sind sie sehr viel jünger. Die Zukunft überall auf der Welt sind die erneuerbaren Energien. Und gerade da ist Deutschland bisher ganz vorne dabei. Aber der Vorsprung gerät in Gefahr.

Durch die Debatte um die Laufzeitverlängerung?

Ja, weil große Teile der Gesellschaft nach dem Ausstiegsbeschluss gesehen haben, dass wir über die erneuerbaren Energien nicht nur reden, sondern mit ihnen auch endlich anfangen müssen. Dieser Prozess würde abgebremst oder käme ganz zum Erliegen. Dabei will die Bevölkerung die regenerativen Energien. Seit Strom genutzt wird, gab es noch nie eine Methode der Elektrizitätserzeugung, die so beliebt ist ¬– auch weil die Leute auf neue zukunftsfähige Jobs hoffen, wie sie ja auch bereits zu Tausenden entstanden sind. Das haben auch die Parteien gemerkt. In allen Wahlprogrammen steht, dass in zehn Jahren mindestens dreißig Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien stammen soll. Vor ein paar Jahren haben die Stromkonzerne und ihre Lautsprecher in der Politik noch behauptet, mehr als vier Prozent gehen in Deutschland nicht. 

Jetzt sagen aber auch viele Politiker, dass längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und der Ausbau der erneuerbaren Energien sich vertragen und zudem dem Klima nützten.

Längere Laufzeiten bremsen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Punkt. Wenn wir den Ausstieg nicht machen, dann haben wir im Jahr 2020 ungefähr 120 Terawattstunden mehr Strom im Netz als nach der heutigen Gesetzeslage geplant, das wäre mehr als ein Fünftel unseres dann zu erwartenden Stromverbrauchs. Das heißt: Die Energiekonzerne wären geradezu gezwungen, Investitionen anderer Marktakteure in erneuerbare Energien zu bekämpfen und verlören auch selbst jedes Interesse zu investieren. In dem Moment, wo eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken beschlossen wird, werden zum Beispiel die von den Konzernen geplanten großen Offshore-Windparks in der Nordsee sicher nicht mehr gebaut. Atomkraftwerke und erneuerbare Energien passen aber auch aus technischen Gründen nicht zusammen. 

Warum?

Optimistische Prognosen gehen davon aus, dass 2020 bis zu 47 Prozent des jährlichen Strombedarfs mit Sonne und Wind gedeckt werden könnten. Es würde dann regelmäßig Zeiten geben, zu denen die regenerativen Energien fast den gesamten benötigten Strom liefern würden. Bei gutem Wind müssten andere Kraftwerke nur noch zu den Spitzenverbrauchszeiten am Vormittag oder am Abend zusätzlich Strom liefern. Es ist aber so, dass Atomkraftwerke dafür gebaut wurden, damit sie mit wenigen Unterbrechungen möglichst das ganze Jahr über immer gleichbleibend auf einem Level fahren. Man kann sie schon aus Sicherheitsgründen nicht ständig rauf- oder runterregeln. Wir brauchen also für eine Übergangszeit, bis wir ganz auf regenerative Energien umgestellt haben, neue Kraftwerke, die flexibel Leistung bereitstellen können, und das sind heute vor allem moderne Gaskraftwerke. 

Und dann dreht uns Wladimir Putin den Gashahn zu … 

Die Abhängigkeit vom Gas wird ja gar nicht größer. Wir brauchen zwar mehr Gaskraftwerke, aber die laufen immer seltener auf vollen Touren, und das heißt: sie verbrauchen per Saldo weniger Gas. Und außerdem sollte man ehrlicherweise auch einmal sagen, dass rund 80 Prozent des in Deutschland eingesetzten Gases in Heizungen und Öfen verbrannt wird – und nicht für die Stromgewinnung.

Warum aber dann überhaupt diese Debatte um die Laufzeitverlängerung? Die moderneren AKWs laufen doch eh noch bis 2021. Dann könnte man ja immer noch schauen, ob man ein oder zwei davon ein wenig länger braucht.

Die Lobby der Energiekonzerne ist nicht gerade schwach. Wenn man spüren möchte, wie groß deren Macht immer noch ist, muss man etwa zum Berliner Sommerfest von RWE gehen. Da trifft man auf unglaublich viele Politiker, von denen man sich fragt, was tun die hier. Die haben mit Energie gar nichts zu tun. Und es gibt wohl kaum eine andere Branche, in der mehr Politiker und Ministerialbeamte, die gerade noch für die Kontrolle der Konzerne zuständig waren, im nächsten Augenblick für ein mehrfach höheres Salär in die Chefsessel eben dieser Unternehmen wechseln. 

Das Oligopol der Energieriesen hat also betriebswirtschaftlich Narrenfreiheit, was man ja auch an den Strompreisen merkt. Warum aber werden die Konzerne nicht wenigstes zu mehr Sicherheitsauflagen gedrängt, wo sie genau mit der Hochrisikotechnologie umgehen, auf die die Terroristen, vor denen uns Wolfgang Schäuble immer warnt, ganz scharf sind? 

Das ist in der Tat eine seltsame Diskrepanz: Auf der einen Seite werden die Bürgerrechte mit Hinweis auf die Terrorgefahr eingeschränkt, auf der anderen Seite dürfen die Stromversorger auch alte AKWs weiterbetreiben, die nicht einmal gegen den Absturz eines Kleinflugzeugs oder einer Militärmaschine geschützt sind. Im offiziellen Untersuchungsbericht der amerikanischen Regierung zum 11. September 2001 kann man nachlesen, wie sich Mohammed Atta und seine Attentäter in Spanien getroffen haben und Atta vorschlug, das Atomkraftwerk Indian Point vierzig Meilen südlich von Manhattan anzugreifen. Sie haben dann diskutiert und gesagt, das wird sicher von Raketen oder Abfangjägern geschützt, da kommen wir gar nicht heran – und haben die Pläne verworfen. Tatsächlich wurde es gar nicht geschützt.

Wie sicher sind denn die deutschen Atomkraftwerke?

Nach den Anschlägen in New York gab es darüber ein Gutachten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit im Auftrag der Bundesregierung. An der TU in Berlin haben die dafür Hobbypiloten an Flugsimulatoren gesetzt und sie von allen Richtungen und mit jeder Geschwindigkeit auf Atomkraftwerke zufliegen lassen. Dass die einzelnen Ergebnisse geheim bleiben, ist absolut richtig. Immerhin sickerte aber später eine Zusammenfassung ohne prekäre Details an die Öffentlichkeit. Ihr Fazit: Mit einem großen voll getankten Passagierflugzeug kriegt man sie alle kaputt, die einen leichter, die anderen schwerer. Das ist auch einleuchtend: Die Betonabschirmungen von Biblis A, Brunsbüttel, Philippsburg oder Neckarwestheim 1, all den alten Meilern, die nach dem Atomgesetz demnächst abgeschaltet werden müssen, sind 60 Zentimeter oder weniger dick, die Kuppeln der jüngsten Reaktoren messen immerhin 1,8 Meter. Die Studie ist damals trotzdem kaum bekannt geworden. Meine Vermutung ist, dass der damalige Innenminister Otto Schily mit den Chefredakteuren großer Zeitungen und Magazine telefoniert und ihnen gesagt hat: Lasst das lieber. Die Energiekonzerne waren sehr geschickt und haben wenige Tage nach dem 11. September gesagt: Keiner unserer Reaktoren hält einen solchen Anschlag aus. Die wollten einfach keine Diskussion darüber, welcher Reaktor sicherer ist – und welchen man vielleicht wegen dieser ganz neuen Form möglicher terroristischer Angriffe besser sofort vom Netz nimmt.

Im Augenblick macht das Asse-Endlager Schlagzeilen als die giftigste Müllkippe der Republik.

Was vermutlich auch stimmt, nur so ganz neu sind die Erkenntnisse nicht. Wie die Fässer einfach unterirdisch ins Salz abgekippt wurden – diese Bilder kenne ich seit über zwanzig Jahren. Es zeigt, was in der Anfangszeit der Atomenergie alles möglich war, wie blauäugig auch die politische Aufsicht sich verhielt. Die Verteidigungsstrategie der Konzerne geht ja ungefähr so: Der Staat hat uns den Müll damals abgenommen und nun sollen wir dafür noch einmal zahlen, weil der das nicht richtig gelagert hat? Das ist doch unfair! Sie verschweigen dabei aber, wie billig sie damals davon gekommen sind. Die haben einfach von der naiven Atomeuphorie dieser Zeit profitiert, in der strahlender Atommüll auch gerne einmal einfach im Meer verklappt wurde. Damals haben sie auch schon mal zwischen Karlsruhe und einer kleinen Aufbereitungsanlage in Belgien kiloweise Plutonium herumgefahren – im Kofferraum eines Pkw. In den Anfangszeiten gab es keine Hemmungen und kein Risikobewusstsein. Das erklärt auch, warum der Staat so offen war für die Wünsche der Wirtschaft. Der Staat hat gesagt: Das ist die Zukunft. Nun, vierzig Jahre später, sieht man: Die Zukunft der Atomkraft ist schon lange vorbei. Leider haben es noch nicht alle gemerkt.

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